Frage an Mystika

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Frage an Mystika

Beitragvon sinemetu » Mi 23. Sep 2020, 10:54

Mein Herr und mein Gott
Johannes 20, 28
Ungeachtet der Tatsache, dass hier in der griech. Überlieferung Kurios und Theos steht, welches Wort wird Thomas originalsprachlich für das Abstraktum Gott benutzt haben?

Wenn eine Sache einzigartig ist, wie kann es dann ein Abstraktum geben?
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon mystica » Do 24. Sep 2020, 12:31

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Re: Frage an Mystika

Beitragvon Sapientius » Fr 25. Sep 2020, 17:38

... Dein Einwand scheint mir mit Adorno gerechtfertigt zu sein, dass das Denken in Begriffe immer schon eine "Vergewaltigung des Gegenstandes" sei, weil im Begriff wird die Individualität zugunsten eines Allgemeinen aufgehoben. A


Liebe Mysica,

"aufgehoben", ja, aber im hegelschen Sinne aufgehoben, denn er sieht darin die Doppelbedeutung von aufheben, nämlich einmal "außer Kraft setzen", dann aber auch "bewahren, für später zurücklegen". Hegel hat in einer viel beachteten Anmerkung darauf hingewiesen.
"Vergewaltigung des Individuellen" ist ganz unpassend für Hegel, er sieht ja im Individuellen das Heraustreten der Idee aus sich selbst in ihr Anderes hinein, er bewegt sich in der neuplatonischen Tradition, die einen integrativen Denkstil pflegt, die Gegensätze verbindet; während Adorno, in der Strömung des Positivismus und Immanentismus das Trennende hervorhebt.
Mich wundert es etwas, dass du soviel Positives an Adorno findest, wo er doch ein militanter Vorkämpfer der nztl. Aufklärung mit ihrer Ablehnung der Metaphysik im ganzen ist, vgl. "Der Jargon der Eigentlichkeit", gegen Heidegger, aber zugleich die ganze Tradition.

Adorno hat Verdienste, er hat Hegel einem breiteren Publikum zugänglich zu machen versucht, und er gehörte der 68er-Bewegung an, scheiterte dabei aber, vgl. die "Busenattacke", eine Art Vorspiel von "Me too", und dann starb er bald.
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon sinemetu » Fr 25. Sep 2020, 21:13

mystica hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:
Mein Herr und mein Gott
Johannes 20, 28
Ungeachtet der Tatsache, dass hier in der griech. Überlieferung Kurios und Theos steht, welches Wort wird Thomas originalsprachlich für das Abstraktum Gott benutzt haben? Wenn eine Sache einzigartig ist, wie kann es dann ein Abstraktum geben?


(In Hegels Philosophie ist bekanntlich die Welt auf den Kopf gestellt. Denn die Begriffe "abstrakt" und "konkret" sind hier nicht nach der Bedeutung des allgemeinen Menschenverstandes verwendet. "Konkret" bedeutet bei Hegel etwas zusammenziehen, um das Ganze in den Blick zu bekommen. Das "Abstrakte" ist bei Hegel leer, weil man nicht auf den Zusammenhang des Ganzen achtet, wo es seinen wahren Stellenwert erhält. Darum lehrt uns Hegel auch, dass "das Wahre das Ganze sei." Adorno lehrt hingegen, dass das Ganze das Unwahre sei.)


Salve Metaphysika!

Du hast Dir viel Mühe gegeben. Danke! Diese spezielle hegelsche Prägung der Begriffe konkret und abstrakt kannte ich noch nicht. Ich kann so schon nicht konkret aus concrescere nachdenken. Das müßte irgendwo mal deutlicher dargelegt werden, damit man das nachdenken kann. Ist dabei der Platonische Idealismus im Hintergrund am Wirken, daß das Abstraktum die Idee, und das mit der Materie "Zusammengewachsene" das Konkrete?

Meine eigentliche Frage ging allerdings auf den originalsprachlichen Wort und den dahinterstehenden Begriff, den Thomas, er sprach wohl aramäisch, da gegenüber Jesu wird gebraucht haben. Denn Gott ist bei uns Abstraktion. Ist das Wort aber im Aramäischen Abstraktion? Hat er etwa das Tetragrammaton gesprochen, daß doch einem frommen Mosaiken ineffabilis ist? Und dies ist doch kein Abstraktum, oder?
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon marcus03 » Sa 26. Sep 2020, 05:54

Das Tetragramm ist ein komplexes und hoch kompliziertes Theologumenon:
https://de.wikipedia.org/wiki/JHWH

Mit dem Begriff wurde viel Eisegese betrieben v.a. in Bereich der Homiletik.
Der Gottesbegriff der Hebräer ist ein ganz anderer als der der griech. Philosophie.
Das ist schwer unter einen Hut zu kriegen. Der Hebräer "denkt anders" als der Grieche.
(Beispiel: der Begriff Ewigkeit)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ewigkeit# ... Religionen
https://www.bibelwissenschaft.de/wibile ... 5d584db0c/
Manche bezeichnen die Gräzisierung des hebräischen Denkens als höchst problematisch
für das Christentum, ja sogar als "Sündenfall". Jesus dachte nicht platonisch.
Sonst hätte nicht für soviel Furore gesorgt.
Sie ist die Quelle der Dogmatisierung. Ohne sie gäbe es wohl keine Dogmen und die damit
verbundenen interreligiösen, z.T. grausamen Konflikte.
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon sinemetu » Sa 26. Sep 2020, 08:59

marcus03 hat geschrieben:Sie - (die Graecisierung) - ist die Quelle der Dogmatisierung. Ohne sie gäbe es wohl keine Dogmen und die damit verbundenen interreligiösen, z.T. grausamen Konflikte.


Auch Semiten sind nur Menschen! Hast Du noch nie was von innerjüdischen und innerislamischen Konflikten gehört?

Ich habe von "Das Leben des Brian" in einem Trailer nur die Szene gesehen, wo Brian umringt wird und geschrien wird: "Er hat Jahwe gesagt!" Diese einzige Szene reicht recht eigentlich um obigen Gedanken von der dogmatogenen griechischen Sprache zu entkräften bzw. zu relativieren.
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon marcus03 » Sa 26. Sep 2020, 09:46

Mir war das Getue um den Gottesnamen Jahwe immer suspekt.
Der Gott im AT ist ein merkwürdiges, widersprüchliches Wesen, von dem man nicht
so recht weiß, was man von ihm halten soll.
Nicht ganz ohne Grund hat Marcion das AT abgelehnt.
Auch wenn sich heute das Meiste historisch-kritisch erklären und reinigen lässt,
ein seltsames Buch bleibt das AT dennoch.
Als historische Quelle ist es nahezu wertlos, bleibt die kultur-historische und psychoanalytische Relevanz.
Der Weg vom Mythos zum Logos war ein beschwerlicher und blutiger, was kein Wunder ist.
Sind doch Religionen primär Legitimationsversuche für Machtansprüche, fragliche Weltanschauungen und - interpretationen und v.a. raffinierte Geschäftsmodelle ihrer Funktionäre.
vgl. z.B.
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Mann_ ... e_Religion
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon mystica » So 27. Sep 2020, 10:34

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Re: Frage an Mystika

Beitragvon mystica » So 27. Sep 2020, 12:27

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Re: Frage an Mystika

Beitragvon marcus03 » So 27. Sep 2020, 12:39

mystica hat geschrieben:Der Gott Israels hat sich dem Moses im Dornbusch und am Berg Sinai, dem ganzen Volk offenbart hat.

mystica hat geschrieben:Es scheint mir, dass das Tetragrammaton ( יהוה ) auf einer personalen religiösen Gotteserfahrung der Hebräer beruht

Daraus schließe ich, dass auch du die Dornbuschgeschichte für einen Mythos hältst, den
es religionspsychologisch und -soziologisch zu erklären gilt.
Dasselbe gilt auch für den "historischen" Moses, der ein literarisches Konstrukt ist und eine Verdichtung
von Erfahrungen und Ereignissen diverser Art darstellt.
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon sinemetu » So 27. Sep 2020, 12:56

Danke Mystika,

Thomas wird dann also
1. Rabbi (ill. Rabbuni) ve Eli (Wie Christus am Kreuz; Eli, Eli sabachtani)
oder
2. Baali ve Eli

gesagt haben ...

Nebenbei, wenn keiner die rechte Aussprache des Tetragrammatons wusste, ist auch die von mir beschriebene Szene im Leben des Brian irreal, weil, man ja, um die Verletzung des Tabus zu identifizieren, mindestens einmal selbst der Verletzung des Tabus beigewohnt haben, d. H. man muß das Wort gehört haben. Und wie sollte man das Wort ausgesprochen gehört haben, wenn es der Hohepriester nur einmal pro Jahr im Allerheiligsten, also allein, ausspricht!

Es erhebt sich die sehr seltsame Frage, wie ein Wort überliefert werden kann, wenn es nicht ausgesprochen, und damit tradiert wird.

Kennst Du, Mystika, die okkulten Traditionen zur Intonation des Tetragrammaton?

Zum Aquinaten: Ist sein Name sein Geburtstag- oder Taufnahme, oder ein im Zusammenhang mit der Ordensaufnahme angenommener "Programm"-Name, der dann auf der Urheber der hier besprochenen Wendung zurückgeht? Schön ist das nicht, daß einer von sich sagt, nur Stroh geschrieben zu haben, und dann noch als Heiliger verehrt wird.
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon marcus03 » So 27. Sep 2020, 13:47

sinemetu hat geschrieben: Und wie sollte man das Wort ausgesprochen gehört haben, wenn es der Hohepriester nur einmal pro Jahr im Allerheiligsten, also allein, ausspricht!

Wenn du danach gehst, kann man ohne Schulung kein Wort in der Bibel aussprechen.
Die Originaltexte sind nicht vokalisiert, das besorgten erst die Masoreten.

sinemetu hat geschrieben:Zum Aquinaten: Ist sein Name sein Geburtstag- oder Taufnahme,

Thomas von Aquin wurde kurz vor oder kurz nach Neujahr 1225 im Schloss Roccasecca, von Aquino 9 km entfernt, als siebtes Kind des Grafen Landulf von Aquino (* 1185)

sinemetu hat geschrieben:Schön ist das nicht, daß einer von sich sagt, nur Stroh geschrieben zu haben, und dann noch als Heiliger verehrt wird.

Er wird schon gewusst haben, warum?
Vlt. wurde ihm klar, dass
a)philosophisches Spekulieren im Leben nicht viel weiterhilft (außer man wird bezahlt dafür)
b)philosophische Gedankengebäude immer nur menschl. Denkkonstrukte sind, die
letztlich nur Versuche darstellen, über Wirklichkeiten etwas auszusagen, über die
man nichts Definitives aussagen kann, weil sie unzugänglich sind (Gott, Dreifaltigkeit u..) oder
möglicherweise gar nicht existieren. (vgl. Multiversum, Stringtheorie).
Ob es Gott gibt oder nicht, bleibt immer unbeweisbar.
Ob es dunkle Materie gibt, die wir noch nicht nachweisen können, ist zumindest schlussfolgerbar.
Da sind die Physiker klar im Vorteil.
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon sinemetu » So 27. Sep 2020, 13:51

marcus03 hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:Zum Aquinaten: Ist sein Name sein Geburtstag- oder Taufnahme,

Thomas von Aquin wurde kurz vor oder kurz nach Neujahr 1225 im Schloss Roccasecca, von Aquino 9 km entfernt, als siebtes Kind des Grafen Landulf von Aquino (* 1185)

Der Ausspruch, der Auslöser unseres Fadens, ist vom "ungläubigen Thomas", dem Jünger Jesu, und die Frage ging auf den Vor-, bzw. Ruf-, bzw. Brudernamen des Aquinaten, warum der also Thomas hieß.
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon marcus03 » So 27. Sep 2020, 13:59

Weil ihn die Eltern so getauft haben. Der Name gefiel ihnen halt. Vlt. wurde viele damals so genannt
in christl. Kreisen. Es ist ja biblischer Name.
Am besten du rufst seine Eltern kurz an. ;-)
Hätte er einen anderen Geburtsnamen gehabt, wäre das sicher auch bei wiki erwähnt.
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Re: Frage an Mystika

Beitragvon sinemetu » So 27. Sep 2020, 16:37

marcus03 hat geschrieben:Hätte er einen anderen Geburtsnamen gehabt, wäre das sicher auch bei wiki erwähnt.

Vllt ist es ja sein Mönchs-Name?
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