Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon consus » Mo 23. Feb 2009, 01:08

Consus Procopio s.d.p.
His diebus in Rhenania cum scurrae rerum sint potiti, bibliothecam seminarii nostri adire prohibeor. Quam primum autem ibi rem diligentius inquiram, ut controversia dirimatur.
Bonam noctem.
:)
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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon RM » Mo 23. Feb 2009, 01:13

Hoffen wir, daß er richtig liegt, denn sonst müssen wir einige Wörterbücher umschreiben.
Allerdings ist die Beweislage sehr dünn, da bei den Herren über Längen und Kürzen anscheinend kaum etwas außer Caesareus zu finden ist, und da ist das e kurz. Ich sehe auch keinen großen Unterschied in der Art der Wortbedeutung zwischen Caesareus, Augusteus und Tibereus. Warum also ist das e mal lang, mal kurz - und warum findet man keine Form von Augusteus in der Dichtung, obwohl es mit einem langen e gut in den Hexameter passen würde, viel besser als mit kurzem?

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Mediceo

Beitragvon consus » Mo 23. Feb 2009, 01:52

Procopius scripsit / hat geschrieben: "codex Laurentianus vel Mediceus" und betonen das letzte "e". Aber im Italienischen heißt es - vom Lateinischen her gesehen - völlig korrekt: medíceo (Ton auf dem i).

Quod ad pronuntiationem vocabuli Italici mediceo pertinet, Procopi, hoc addere mihi liceat: nostris quidem temporibus Mediceo, sed nescio quot annis vel saeculis ante Mediceo (cf. Zingarelli, Vocabolario della lingua italiana, ed. decima, Neapoli 1970, s. v. Mediceo). Ex quo quid efficitur?
:book:
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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon RM » Mo 23. Feb 2009, 02:47

Im Italienischen liegt die Präferenz auf dem i, aber es gibt prinzipiell beide Varianten, vgl. z.B. hier: http://old.demauroparavia.it/avanzata (oben rechts mediceo eingeben und "cerca" anklicken)

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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon Procopius » Di 24. Feb 2009, 19:23

Procopius Conso salutem dicit plurimam.

Interroganti mihi optime respondisti. Consilium non ceperam indicis vocabulorum Graecorum inspiciendi. Nam nomen Augusti verbo Graeco Sebastós reddi solet. Itaque vox Graeca Augoústeios mihi ignota erat. Quam rem mihi probro esse scio. Non interrogavissem, si vocabuli Augoústeios notitiam habuissem.

Verbi Italici (vel Italiani) "Medíceo" accentum in syllaba antepaenultima positum esse comperi e
Bulle, Oskar u. Giuseppe Rigutini, Neues italienisch-deutsches und deutsch-italienisches Wörterbuch, Band 1, Italienisch-Deutsch, 7. Aufl., Leipzig u. Mailand, 1922, pag.467 sq.

Bene Vale.
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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon Procopius » Di 24. Feb 2009, 19:36

RM hat geschrieben:Im Italienischen liegt die Präferenz auf dem i, aber es gibt prinzipiell beide Varianten, vgl. z.B. hier: http://old.demauroparavia.it/avanzata (oben rechts mediceo eingeben und "cerca" anklicken)

8) RM

Meine Information ist da natürlich etwas einseitig gewesen, vgl. das, was ich soeben an Consus geschrieben habe.
Aber ich bin dem Link, den Du angibst, gefolgt und habe die Auskunft erhalten, daß Mediceo nicht gefunden worden sei. Es ist mir leider nicht gelungen, den genauen Wortlaut hier einzufügen. Ich bekomme nur Zeichensalat oder gar nichts.
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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon RM » Di 24. Feb 2009, 20:27

Komisch, bei mir geht's. Das Ergebnis ist: me|dì|ce|o, me|di|cè|o (Erklärung spar ich mir ...). War aber nur ein Beispiel. In meinen Wörterbüchern (Devoto-Oli von Monnier + Sansoni) steht aber überall medìceo, ist wohl auch die hochitalienische Form.

Generell kann ich nur warnen, Griechisches kritiklos auf Lateinisches anzuwenden. Das funktioniert nicht immer. Ich warte übrigens noch auf eine gute Erklärung, wo der Unterschied zwischen Caesareus, Augusteus und Tibereus genau liegt. Besonders bei Caesáreus sind die lateinischen Quantitäten eindeutig belegt.

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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon consus » Di 24. Feb 2009, 20:38

RM hat geschrieben: Ich warte übrigens noch auf eine gute Erklärung, ...

Wie wäre es denn zur Abwechslung einmal mit eigenen Recherchen? Forcellini, TLL, Leumann-Hofmann-Szantyr u. a. :grins:
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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon RM » Di 24. Feb 2009, 22:06

Ich habe euch ja schon gesagt, daß man Caesáreus bei den Dichtern häufig findet, Augustéus aber anscheinend genauso wenig wie Tiberéus - ist doch schon mal eine Aussage. Woher, außer aus Griechisch-Wörterbüchern, beziehen wir also das Wissen, daß bei dem einen das e kurz, bei dem anderen lang ist? Man müßte sich gelegentlich auch fragen, woher die Macher der Wörterbücher das wußten, wenn Originalstellen nicht zu finden sind ... Mündliche Überlieferung, reine Vermutung, Analogien?

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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon Procopius » Di 24. Feb 2009, 22:48

RM hat geschrieben:Ich habe euch ja schon gesagt, daß man Caesáreus bei den Dichtern häufig findet, Augustéus aber anscheinend genauso wenig wie Tiberéus - ist doch schon mal eine Aussage. Woher, außer aus Griechisch-Wörterbüchern, beziehen wir also das Wissen, daß bei dem einen das e kurz, bei dem anderen lang ist? Man müßte sich gelegentlich auch fragen, woher die Macher der Wörterbücher das wußten, wenn Originalstellen nicht zu finden sind ... Mündliche Überlieferung, reine Vermutung, Analogien?

8) RM

Eigentlich kann man es nur in drei Fällen genau wissen: entweder, wenn antike Grammatiker sich über die Frage der Quantität der Silben oder Buchstaben im Einzelfall äußern, oder wenn die Wörter in Versen überliefert sind, aus denen die Quantitäten erschlossen werden können. Und schließlich läßt sich aus der späteren Entwicklung der romanischen Sprachen vieles erschließen.
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-eus-

Beitragvon consus » Di 24. Feb 2009, 23:01

Salvete, amici.
Hier das Ergebnis meiner nicht sehr weit gehenden Kurzrecherche (noch vor Beginn von Quadragesima):

1) LHSz* bestätigt das, was RM sagt: -eus-Adjektiva von Personennamen; kurzes e fast nur ... im Hexameter: Apollineus, Caesareus ... (im silbernen Latein Augusteus Plin., Neróneus Tac.). Leumann liest also auch Augusteus mit kurzem e.
Was das griechische ει vor Vokal angeht**, so kann es
entweder
zu einem langen e werden: Vor Vokal wohl nur literarisch: ... choréa Lucr. [2, 635], Verg. [9, 615], ... Achilléus Pelopéus...
oder
in der Umgangssprache zu einem kurzen e: gynaeceum Plt. Most. 759, ... chorea Verg.[Aen. 6, 644]...
Anm.
Vgl. auch Prop. 2, 19, 15: choreas mit kurzem e, aber 1, 3, 5 choreis mit langem e.

2) Im Forcellini (s. v. Augusteus) und TLL (s. v. Augustus, II 1409) finden wir die Schreibweise mit langem e wie im Lewis-Short, Georges und im OLD, der TLL beruft sich auf Αυγούστειος und eine alte Schreibweise Augustaeum (langes e von Kühner-Holzweissig übernommen). Forcellini liest allerdings Tibereus mit kurzem e wie Georges und Lewis-Short, aber im Gegensatz zum OLD, das hier ein langes e ausweist. In Tiberéum bei Plinius Maior könnte man eine Parallele zu Augustéum sehen, wenn man dies denn so liest.

Dass das griech. χορεία im Lateinischen mit unterschiedlicher Quantität des e auftaucht, lässt m. E. die Vermutung zu, dass es diese Varianten bei der Übertragung des griech. ει vor Vokal auch bei anderen vergleichbaren Wörtern gab.

Res in controversia relinqui videtur.
Bonam noctem.

--------------------------------------
* Leumann, M., Lateinische Laut- und Formenlehre, München 1977, S. 286f.
** a.a.O. S. 78.
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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon RM » Di 24. Feb 2009, 23:26

@Procopius: Was läßt sich denn in Bezug auf die obige Frage aus der "späteren Entwicklung der romanischen Sprachen" erschließen? Also nehmen wir z.B. das Italienische (weil's geographisch am nächsten dran war/ist). Es gibt da so viele "Fehler" im Hinblick auf die lateinische Betonung, daß ich inzwischen extrem vorsichtig bin, was solche Schlußfolgerungen betrifft. Da wird z.B. rídere gesagt (statt ridére), filosofía (statt philosóphia) und medíceo statt ... naja wie auch immer ..., aber tatsächlich augustéo, cesáreo und mausoléo (wie bei Mart.ep.5,64,5!) :wink:
Über Augusteus und Tibereus habe ich bei alten Grammatikern oder in Versen bisher nichts gefunden.

@consus: Und was machen wir jetzt? Augusteus mit kurzem e war ja eigentlich doch nicht so richtig eingeplant ...

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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon Procopius » Di 24. Feb 2009, 23:38

Ich habe eine ganze Liste von romanischen Wörtern, bei denen es geht. Ich muß sie nur finden und heraussuchen. Heute wird das nichts mehr. Aber ich melde mich. Ich habe nicht behauptet, daß es immer geht.
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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon RM » Di 24. Feb 2009, 23:43

Ich weiß, daß es bei vielen Wörtern geht, die Ausnahmen sind das Problem. Gerade Wörter wie filosofía zeigen, daß der griechische Akzent manchmal zu späterer Zeit wieder eingesetzt wurde.

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Re: Zur Quantität der Vokale im Lateinischen

Beitragvon consus » Di 24. Feb 2009, 23:51

RM hat geschrieben: Augusteus mit kurzem e war ja eigentlich doch nicht so richtig eingeplant

Eingeplant? Nein, Ergebnis meines Vertrauens bes. in P. G. W. Glare, den Herausgeber des OLD. Gefühlsmäßig neige ich, was die besagte Pliniusstelle angeht, nach wie vor zu Augustéus und Tiberéus. Zu weiteren, sicher interessanten und lohnenden Untersuchungen habe derzeit wegen anderer Aufgaben keinen Freiraum.
:book:
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