Grundsätzlich verstehe ich ja deine Bedenken bezüglich der Unterscheidung von Wort- und Satzverneinung. Es gibt wohl auch Beispiele, wo eine klare Trennung nicht vorgenommen werden kann.
Aber sehen wir uns das im einzelnen an:
Non dixi te esse stultum, sed minoris ingenii.
Hier hast du dich offenbar zu sehr vom deutschen Sprachgebrauch leiten lassen, denn der deutsche Satz lautet ja wohl: "Ich habe nicht gesagt, dass du dumm bist, sondern minder begabt."
Tatsächlich liegt die Betonung einerseits auf dem Gegensatz dumm - minderbegabt, andererseits auch auf dixi. Um beidem gerecht zu werden, müsste man wohl schreiben: Non stultum te esse dixi,...
So würde die Negation sowohl das Adjektiv als auch das Prädikat verneinen.
Hältst du "ne discamus scholae! Sed (discamus) vitae!" für ganz unmöglich
Wenn man den Gegensatz auf zwei (von einander unabhängige) Aufforderungen aufsplittet, warum nicht? (statt sed würde ich dann eher immo nehmen)
Weiterhin kann man m.M.n. auch sagen "non discimus scholae, sed vitae".
Nein, denn die Betonung liegt ganz eindeutig auf den gegensätzlichen Wörtern scholae bzw. vitae. Es muss also definitiv heißen: Non scholae, sed vitae discimus.
P.S.: Was für eine N. (und ggf. mit welchem Fokus) zum Beispiel liegt vor in einem Satz wir "non equidem summo amore erga te flagro, sed mihi places / sed tamen te in gregem nostrum accipiam"?
Hier ist kein wirklicher Gegensatz zu erkennen, somit ist auch keine Wortnegation erforderlich. Die Negation könnte also auch unmittelbar vor flagro stehen.
ille ego qui hat geschrieben:Zur Frage der Litotes mich einmal: Gerade in Kopula-Fällen, wo man ja das Prädikatsnomen zum Prädikat zu zählen pflegt, scheint mir die Frage, ob Wort- oder Satznegation recht schwierig und für den Litotes-Effekt mitunter unerheblich... (Ich bin nicht ahnungslos = non nescio = nescius non sum/ non nescius sum...?)?
richtig. In Fällen wie diesen (doppelte Verneinung!) handelt es sich immer um eine Litotes. Und hier kann tatsächlich nicht zwischen Wort- und Satznegation unterschieden werden. Dennoch: Ausnahmen bestätigen die Regel!
vale!