Der Inhalt der Stelle sollte das erste Kriterium sein. Es ist für den Fortgang der Geschichte wichtig, dass Arethusa an das Ufer steigt, an dem sie ihre Kleider nicht gelassen hat. Dem propriori ripae seht altera ripa eindeutig gegenüber. Die theoretisch mögliche Enallage (das Adjektiv wäre sinngemäß ripae zuzuordnen) ist bei der Gegenüberstellung nicht plausibel. Das Bald im Fluss erklärt, warum Arethusa an das "falsche" Ufer kommt. In der Situation ist es ihr zuerst wichtig, an ein Ufer zu kommen, um die Lage zu klären. Da nimmt sie klarerweise das nähere.
Ich vertraue darauf, dass es stimmt, dass Ovid den Abl. des Komparativs nicht mit i bildet. Er schafft es sicher, einen Vers so zu bilden, dass die Form propriore, falls sie nötig ist, Platz findet.
Das Verb insistere funktioniert auch mit Dativ. Ich tendiere mittlerweile dazu, die Version propriori … ripae als Dativ zu belassen, wobei margine den Komparativ näher bestimmt. Das mag zwar etwas überflüssig wirken, aber kommt mitrvertretbar vor.
Ovids Werke sind natürlich ein von Philologen intensiv beackertes Feld, aber der Universitätsprofessor, der natürlich mehr Zeit für solche Tätigkeiten aufwenden kann, ist nicht zwangsläufig immer besser als "irgendein Lateinlehrer". Auch wenn ich Tiberis' Meinung in dem konkreten Fall nicht teile, heißt das noch lange nicht, dass er automatisch schweigen muss, sobald ein Philologe einer Universität etwas dazu veröffentlicht. Er geht mit viel philologischer Sachkenntnis an das Problem heran und zeigt mögliche Aspekte auf.