Praeens

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Re: Praeens

Beitragvon Laptop » So 19. Aug 2012, 00:13

Fruchtbringend ist die Diskussion, wenn die Teilnehmer auch ‘Indizien’ als Zwischenstufen zwischen den beiden Extremen
a) reine Spekulation
und
b) wissenschaftlicher Beweis
zulassen bzw. anerkennen. Gehen wir davon aus, daß keine Partei eindeutige Beweise liefern kann. In dem Falle halte ich nichtsdestoweniger die Annahme eines *potfui für einen ebenso wertvollen und interessanten Gedanken, wie den, ein Verb *potere anzunehmen.
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Re: Praeens

Beitragvon Zythophilus » So 19. Aug 2012, 10:56

Eine Form potui ensteht also aus potfui in einer Zeit ("sehr früh"), als es im Präsens immer noch potis sum und nicht possum heißt. Plausibel kommt mir das nicht vor. Etymologie war bei den Alten mehr Spekulation, und da sons schon lange als Adjektiv mit der Bedeutung "schuldig" in Verwendung war, nahm man es wohl nicht mehr als Präsenspartizip von esse wahr. Außerdem ist es kein Beweis, lediglich daraus, dass kein antiker Autor es als Präsenspartizip von esse beschrieb, schon mit Sicherheit zu sagen, dass es niemand wusste.
Quintilian jedenfalls weiß nichts davon, dass es vor seiner Zeit ein ens gegeben hätte, im Gegenteil er sagt deutlich, dass es sich um eine Neubildung nach griechischem Muster handelt
Inst. V 3,33 hat geschrieben:Multa ex Graeco formata nova, ac plurima a Sergio Plauto, quorum dura quaedam admodum videntur, ut "ens" et "essentia":
. Auf die Idee potens ins Spiel zu bringen, kommt erst Priscian viel später, dem ich hier weniger vertraue. Dass der ursprüngliche Vorschlag wirklich von Caesar stammt, ist auch keineswegs mit dieser Stelle bewiesen.
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Re: Praeens

Beitragvon RM » So 19. Aug 2012, 11:50

Was das Vertrauen zu Priscian, Quintilian uand anderen betrifft, so meine ich, dass man ihre Aussagen und Meinungen nicht einfach ignorieren darf, und zwar aus zwei Gründen:
1. Sie verfügten damals noch über wesentlich mehr Schriftmaterial als wir. Quintilian führt "ens" und "essentia" ja nur beiläufig als Beispiele für Neubildungen an. Wir erfahren, dass ein gewisser Sergius Plautus solche Wortbildungen ins Spiel gebracht hat und dass Quintilian die Wortschöpfungen ganz o.k. findet ("quae cur tanto opere aspernemur nihil uideo" Quintil. Inst. 8, 3, 33). Leider haben wir dessen Schriften nicht mehr.
2. Zu oft schon hat sich erwiesen, dass die Aussagen antiker Schriftsteller mehr Wahrheit enthalten, als so mancher Philologe am Anfang glauben wollte (bestes Beispiel: Homer). Daher bin ich diesbezüglich sehr vorsichtig und widerspreche Leuten wie Quintilian und Priscian nur ungern und nur, wenn ich sehr triftige Gründe habe. In diesem Fall habe ich die aber erstens nicht und zweitens waren das ja keine Dummköpfe.

Was jetzt "sons" und den Komplex posse, potesse, *potere und *pot[f]ui betrifft, werden wir ohne zusätzliche Belege wahrscheinlich nichts beweisen können. Dass sich ein potfui bei häufigem Gebrauch zu potui abschleifen kann, kann ich mir jedenfalls gut vorstellen, aber das müsste bereits vor den schriftlichen Zeugnissen passiert sein.

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Re: Praeens

Beitragvon RM » So 19. Aug 2012, 12:03

Ganz witzig übrigens: Bei dieser Gelegenheit habe ich drei Fehlerchen in der Epigraphik-Datenbank gefunden, die inzwischen korrigiert wurden. - Sozusagen ein Abfallprodukt der Weltraumforschung ... :wink:

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