Anfänger Vokabeln lernen

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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 28. Sep 2013, 20:53

Ich kann dir da sehr zustimmen. Aber es hängt extrem von den Lehren ab, was sie vermitteln. Bei uns (zwei meiner Kinder haben Latein, da ist es relativ gut).
Dichtung spielt eigentlich relativ wenig Rolle, genauso wie in unserer Sprache. Das sollte man sich klar machen. Lateinische Dichtung ist relativ einfach, weil es auf "Nachmache" sich konstruiert. Egal ob leonisch oder anders: Es ist einfach durchschaubar. Die Regeln sind bekannt.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 28. Sep 2013, 21:07

Schönes Statement.
Ich finde, du hast in vielen Dingen recht.
Zwei meiner Kinder lernen Latein momentan. Dichtung spielt gar keine Rolle, was ich natürlich verstehe, da es in unserer Sprache auch nur einen Bruchteil ausmacht. Die lateinische Dichtung ist sehr schnell durchschaubar. Wichtig ist eher der Zusammenhang zur Geschichte, ich erkläre sehr viel meinen Kindern. Vieles liegt an der Kompetenz der Lateinlehrer, wie immer....genauso war es bei mir. Sie hatten sie in meiner Zeit.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Zythophilus » Sa 28. Sep 2013, 21:35

Huba hat geschrieben:Ich meine, immerhin "stammt" unsere deutsche Sprache von Lateinischen ab, sowie wahrschenlich jede Sprache, die im europäischen Sprachraum gesprochen wird, zumindest mit Latein verwandt sein wird.

Hier muss ich ein wenig korrigieren, Latein gehört wie Deutsch und die meisten anderen europäischen Sprachen (Baskisch und die Finno-ugrischen Sprachen nicht) zur indogerm. Sprachfamilie. Im Deutschen finden sich viele Fremd- und Lehnwörter aus dem Lateinischen, aber anders als die romanischen Sprachen stammt Deutsch als german. Sprache nicht davon ab.

Latein ist uns großteils als Literatursprache erhalten. Umgangssprache finden wir bei Plautus und Terenz sowie 200 Jahre später bei Petron. Dazwischen liefern uns Inschriften und ein paar Bemerkungen Hinweise auf die Umgangssprache der Römer. Wenn Latein auch als Umgangssprache der Gelehrten im Mittelalter diente, so hat das mit der antiken Umgangssprache wenig zu tun. Diese kann man auch kaum lernen, da sie nicht besonders gut bezeugt ist.
Dichtung spielte eine relativ große Rolle - auch zahlreiche metrische Inschriften zeugen davon. Man sollte nicht das späte 20. und frühe 21. Jh. heranziehen, wo Lyrik außer bei Liedtexten praktisch keine Rolle spielt, um die Bedeutung von Dichtung im Deutschen zu ermessen. Auch wenn er nur ein wenig Schule genossen hatte, konnte der normale Römer wohl ein paar Hexameter aus der Aeneis rezitieren - gelegentlich auch persiflieren wie fullones ulalasque cano, non arma uirumque zeigt - und Ovids Amores ersetzen bis zu einem gewissen Grad Schlager: Das Versmaß garantierte leichte Merkbarkeit und u, während Musik im eigentlichen Sinn nicht so leicht verfügbar war.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 28. Sep 2013, 21:37

Dichtung spielt eine große Rolle... nein!
Prosa war viel verbreiterter. Ich wehre mich vor einer Umkehrung, die es nicht gab.
Wir haben auch viele Texte aus der Antike nicht erhalten. Sehr viele waren prosaisch. Allein wenn man die fehlenden ciceronischen Texte dazu rechnet (mich würde der gesamte Text des HORTENSIUS oder auch DE GLORIA interessieren und die fehlenden Texte aus DE RE PUBLICA usw.).
Und bitte: Man kann sich in der Altphilologie bei nur wenig erhaltenen Texten (viele sind verloren) nur wenig Urteil erlauben. Der Anteil der verlorenen Texte ist immens, so dass man sehr stark im statistischen Fehler sich bewegt.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Zythophilus » Sa 28. Sep 2013, 22:09

Das Prosa verbreiteter war, bestreitet keiner; Cicero trug seine Reden nicht im Versmaß vor, und auch Caesar schrieb kein Epos in Hexametern. Dennoch war Dichtung weit stärker präsent als sie heutzutage im deutschsprachigen Raum ist.
Ein deftiges, aber durchaus reizendes Epigramm zeigt, dass auch einfachere Leute die Versmaße beherrschten und anwendeten; manchmal sind die Verse natürlich auch fehlerhaft.
Minximus in lecto, fateor, peccauimus, hospes.
Si dices: quare? Nulla matella fuit
.
(CIL IV 4957).
Welcher Lyriker könnte heute von sich sagen: Et in toto plurimus orbe legor.? Was Martial wohl nicht ohne Grund in IX 97 von sich sagt, könnte heute wohl kein lyrischer Dichter von sich sagen.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 28. Sep 2013, 22:15

Das sagt nichts über die allgemeine Bevölkerung direkt aus, da viele gar nicht an dieser Literatur teilnahmen.
Die wenigen, die an der höheren Gesellschaft teilnahmen (ganz wenige) und von diesen haben wir Überlieferungen, hatten natürlich Griechisch/Latein und entsprechende Literatur zur Verfügung. Der Rest war ausgeschlossen.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Zythophilus » Sa 28. Sep 2013, 22:28

Gekritzelte Aeneis-Verse, teils mit Schreibfehlern, etc. stammen wohl kaum von Mitgliedern der Oberschicht. Etwas wie die Amores war zumindest in Ausschnitten leichter zugänglich als eine Cicero-Rede, Lesen und Schreiben lernten die meisten und da gab es durchaus auch sehr viel Dichtung.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 28. Sep 2013, 22:34

...wer hat es geschrieben? Er mußte Schulunterricht haben (Oberschicht).Wer? Der Rest sind Nachahmer. Sei doch nicht so naiv. Betrachte doch mal die damalige Gesellschaft.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 28. Sep 2013, 23:01

Lesen und Schreiben lernten die meisten und da gab es durchaus auch sehr viel Dichtung.

Eben nicht. Die meisten in der römischen Gesellschaft lernten nur das Notwendigste. Das waren nur wenige. Der Rest lernte vielleicht die Sprache zum Handeln und für den Umgang und das waren sicher 99%. Bitte nicht heutige Situationen auf damals projezieren. Das war nicht so. Obwohl das heute auch gilt: Wer kann den wirklich Latein?
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon SursumDeorsum » Sa 28. Sep 2013, 23:18

Medicus domesticus hat geschrieben:Die meisten in der römischen Gesellschaft lernten nur das Notwendigste. Das waren nur wenige.


Das würde ich so auch nicht sagen. Immerhin hat man bei den Gefallenen von Carrhae im Marschgepäck Literatur gefunden, die man heute als Pornoroman titulieren würde. Wozu weiterhin auch die ganzen Kritzeleien in Pompeji, wenn sie niemand hätte lesen können? Besonders schön auch folgender Vers, der die Tuchwalker anpreist:

Fullones ululamque cano, non arma virumque.

Der Schulunterricht der Antike war zum größten Teil ja auch Dichterlektüre, die man ja als höchste Quelle der Weisheit betrachtet hat (ut Vergilius ait usw.). Vergil wurde ja schon früh (mit Remmius Palaemon) zum Autor Nummer eins in der Schule.

Ich jedenfalls glaube, dass auch die Angehörigen der Nicht-Oberschicht eine gute Portion literarische Bildung erfahren haben.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 28. Sep 2013, 23:25

Wie viele waren es wirklich? Das meiste war doch Umgangssprache mit anderen. Viele hatten doch keine Schulbildung, allein aus finanziellen Gründen. Man hat es halt gehört und aufgeschnappt.
Ich denke, dass das meiste im Handel sich konstituierte. Latein war dadurch Handelssprache. Man muß auch sagen, dass Griechisch viel bedeutender war, wenn man schon nach Süditalien kam und in den Osten.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Laptop » So 29. Sep 2013, 08:23

… so dass man sehr stark im statistischen Fehler sich bewegt.
Nicht nur im statistischen Fehler, die klass.-lat. überlieferten Texte sind eine Auswahl und nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Texte, die es damals gab. Alltagstexte, wie die Vindolanda-Tabletten hätte kein Mönch abgeschrieben und überliefert. Man hat im Gegenteil das Besondere, das Herausragende, das Pekuliäre überliefert, nicht das Repräsentative.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » So 29. Sep 2013, 12:45

Genauso ist es, Laptop.
Stellen wir uns nur mal vor, dass die deutsche Sprache ausgestorben wäre. Überliefert wären durch Mönche als Abschreiber nur Gedichte, Prosatexte, Dramen und Texte von Schiller und Goethe und ein paar wenigen. Zeigt das ein Gesamtbild der deutschen Sprache und ihrer Literatur?...nein.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Zythophilus » So 29. Sep 2013, 12:50

Latein ist uns großteils als Literatursprache überliefert, wobei Reden natürlich zumeist auch gehalten und nur nachträglich etwas bearbeitet. Das mag man bedauern, was aber nichts daran ändert. Wenn man die Kritzeleien ansieht, die uns natürlich einen großen Schatz an Umgangssprachlichem bieten, so stellt man fest, dass der Anteil an metrischen Texten nicht so gering ist, also der durchschnittliche Schmierer ein bisschen literarische Bildung aufwies.
Der Alphabetisierungsgrad des römischen Reiches mag nicht ganz den Standard der entwickelten Länder unserer Zeit erreichen, er war aber sicher höher als im Mittelalter oder in heutigen Entwicklungsländern. Schulunterricht bedeutete in der Antike Kontakt mit Literatur und da auch sehr stark mit Dichtung. Hexameter sind bestens geeignet, sie auswendig zu lernen; bei uns war es bis vor Kurzem der Reim, der das Auswendiglernen von Stücken wie der Bürgschaft erleichterte. Heutzutage ist so etwas als altmodisch verpönt. Auch die drohenden Schläge waren ein Ansporn, auch wenn dieses Element zum Glück heutzutage bei uns - das ist keineswegs überall in der Welt - keine Anwendung mehr findet.
Der untersten Bevölkerungsschicht mag Bildung wirklich verwehrt gewesen sein, doch wenn man sich ansieht, wie wenig ein ludi magister z.B. verdiente, so kommt man drauf, dass sich das nicht nur die reichen leisten konnten. Die ganz Reichen hatten dafür ohnedies Sklaven.
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Re: Anfänger Vokabeln lernen

Beitragvon Medicus domesticus » So 29. Sep 2013, 12:55

Was wirklich gelehrt wurde, wissen wir nur in Ausschnitten. Natürlich wurde auch Homer, Vergil usw. allein zur eigenen Legimitation gelehrt. Es gab auch viele ganz banale Sprachübungen. Es gibt sogar erhaltene Zeugnisse dazu auf Schreibtafeln. Der Zugang zu wirklicher Bildung war auch in Rom und Antike hauptsächlich Sache der Oberschicht und deren Privatlehrer (häufig Griechen). Dichtung war sicherlich nicht überdimensional vertreten, da es gerade in der Ausbildung auch ganz praktische Ansätze gab. In der oberen Gesellschaft war sogar das Erlernen von Griechisch Hauptziel, da Latein im Römischen Reich gesamt eine eher untergeordnete Rolle spielte.
Was ein römischer Schüler lernen mußte, da gibt es eine Aufzeichnung darüber. Wir haben darüber hier schon gesprochen. kennst du den Autor? ;-)

Nur zur deiner Info: Lucius Ampelius ... ;-)
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